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Osteoporose - Knochen stärken mit Yogatherapie

Osteoporose - Knochen stärken mit Yogatherapie - FindeDeinYoga.org
Günter Niessen

Yogatherapie ist nicht Medizin

Der Wunsch von Yogaübenden, auch außerhalb des schulmedizinischen Rahmens konkrete Hilfestellungen zu bekommen, wächst stetig. Neben den schulmedizinischen Maßnahmen wie der Vitamin D-Substitution, lichtreiche Spaziergänge zu unternehmen, Bisphosphonate zu verordnen und dem Rat, am Rehasport teilzunehmen, können wir mit der Yogatherapie noch weitere, wunderbare Möglichkeiten erschließen. Gerne möchten wir auch zu Beginn darauf hinweisen, dass sogenannte sekundäre Osteoporosen, die z.B. als Folge von Fehl- oder Mangelernährung oder als Nebenwirkung einiger Medikamente in jedem Lebensalter auftreten können, an der jeweiligen Ursache mitbehandelt werden müssen!

Yogatherapie - ein multimodales Therapiekonzept

Die künstliche Trennung unseres Denkens und Fühlens von unserem Körper ist eine Idee des analytischen Denkens. Im Yoga wurde und wird diese Trennung nicht vollzogen. Ganz klar manifestiert sich unser Denken und Fühlen für jeden erlebbar im Körper und umgekehrt beeinflusst unser körperliches Befinden sehr stark unser kognitives und emotionales Sosein. Wir strahlen Zuversicht beispielsweise ebenso körperlich aus wie Angst, Stress oder Kampfbereitschaft und erleben im Zustand körperlichen Wohlbefindens, z.B. bei einem schönen Spaziergang allein oder mit einem lieben Menschen, eine ganz andere, befreite Geisteshaltung. Im Kontext der Yogatherapie nutzen wir konsequent beide Wege – top-down und bottom-up - um unsere Knochendichte gezielt zu beeinflussen. Auf der ethischen Basis der Yama und Niyama (z.B. gewalt- und schmerzfrei, interessiert, ruhig, ...) üben wir kräftigende Haltungen und Bewegungen, um unsere Muskulatur und dadurch unsere Knochen zu stärken und tonisieren die Rumpf-Muskulatur durch die Atmung, um daraus nicht nur eine höhere körperliche Stabilität, sondern auch Entschlusskraft und Klarheit des Geistes zu erzielen. Yogische Techniken können ebenso wie grundlegende Überlegungen des Ayurveda ganz einfach eine Weile auf das Problem der schwindenden Knochendichte ausgerichtet werden und großen Einfluss nehmen. Unbehandelt führt Osteoporose bei Frauen in der Postmenopause und später auch bei Männern oft zu Wirbelkörperfrakturen (sogenannten Sinterungsfrakturen) mit Keil- und Fischwirbelbildung und zunehmender Kyphosierung der Brustwirbelsäule sowie Größenabnahme und später im höheren Alter bei Stürzen oft zu Brüchen des hüftgelenksnahen Oberschenkelknochens (sogenannte Schenkelhalsfraktur). Es bleibt die Frage: Was und konkret auch wie können wir mit Yogatherapie die Geweberegeneration anregen?

Gewebe des Körpers und ihre Beanspruchung

Um ein yogatherapeutisches Behandlungskonzept zu entwickeln ist es sinnvoll, sich die betroffenen Körpergewebe und ihre spezifischen Bildungsreize anzuschauen. Es gibt Knorpelgewebe, Knochengewebe, Nervengewebe, Muskelgewebe und Bindegewebe, von ganz locker angeordnet bis hin zu hoch spezialisiert, wie wir es bei Faszien, Sehnen und Bändern sehen können. Alle Gewebe wirken miteinander in günstiger Wechselbeziehung und dennoch brauchen sie bestimmte Reize, um gesund und kräftig zu bleiben. Beim Knochen als bei der Osteopenie und Osteoporose hauptsächlich betroffenen Gewebe ist das relativ einfach: er braucht Druck! Selbst gesunde, junge Astronauten, die für Osteoporose keineswegs anfällig sind, entwickelten im Weltraum außerhalb der Schwerkrafteinwirkung und damals ohne die Möglichkeit zum Muskelaufbau bereits nach wenigen Wochen brüchige Knochen. Alle Knochen, die wir nicht belasten, werden abgebaut. Bei Frauen verläuft dieser Prozess nach der Menopause aus unterschiedlichen Gründen noch rascher als bei Männern. Gewusst seit alters her und nun spezifiziert durch zahlreiche Studien zum statischen und dynamischen Krafttraining sowie zuletzt auch für intensive Gewichtsbelastungen selbst bei fragilen Knochen durch die Liftmor-Studie und die Liftmor-M-Studie ist klar, dass wir unsere Knochen über das tägliche Gehen in der Natur hinaus direkt durch den Erhalt und Aufbau unserer Muskulatur sowie die Nutzung der Schwerkraft - selbst im hohen Alter - verbessern können.

Ziele der Yogatherapie bei Osteoporose

Ziele einer yogatherapeutisch auf den Knochen als Gewebe abzielenden Behandlung sind:

  • einen gesunden und kräftigen Knochen zu erhalten oder zu erlangen
  • unsere Muskulatur zu stärken, um ausreichenden Druck auf die Knochen auszuüben
  • die Schwerkraft zu nutzen, um unser Bewegen im Raum und die damit verbundene, variantenreiche und natürliche Belastung unserer Knochen zu erhöhen
  • axialen Druck bei Haltungen und Bewegungen auf der Matte und im Alltag zu lernen
  • unser Gleichgewicht zu stärken, um nicht ungewollt mit der Schwerkraft zu stürzen und dadurch Knochenbrüche zu riskieren
  • die Koordination zu schulen, damit schützende und nährende Bewegungen geschmeidiger, langsamer und schneller ausgeführt werden können (z.B. beim Sturz)
  • unser Denken und Fühlen für uns und nicht gegen uns einzusetzen; Zuversicht, Achtsamkeit und das Bewusstsein für den eigenen Beitrag zur Heilung sind unsere größten Ressourcen
  • unsere Ernährung mit einfach Mitteln sinnvoll und aufbauend zu verändern
  • ayurvedische jahrtausende alte Rezepturen zu nutzen, um das “vata dosha” zu senken

Praktische Überlegungen und Anwendung der Yogatherapie bei Osteoporose

  • Osteoporose ist aus ayurvedischer Perspektive eine klassische „vata dosha“ Dysbalance mit Schwund bzw. Demineralisierung des Knochens. Diesem geht der Schwund der Muskulatur, ein Vorgang, der Sarkopenie genannt wird, meist voraus. Die verminderte Knochendichte führt im Verlauf zu einer Anfälligkeit des Knochens für Verformungen und Brüche. Aus ayurvedischer Sicht würden wir darauf achten, dem Körper besonders nährende und aufbauende Substanzen zuzuführen insbesondere durch Öle, Heilkräuter und Einläufe und natürlich der Anpassung des Lebensstiels.
  • Knochen benötigen zu Beginn der Übungspraxis eine sichere, axiale Belastung. Für die Wirbelsäule ist dies die Neutralstellung mit ihren sanften Schwingungen. Für alle Gelenke am Körper, inklusive der über 90 wirbelsäulennahen Gelenke, gibt es eine Mittelstellung, in der alle Gewebe des Körpers ihre größte Resilienz besitzen. Dort sollten wir mit unseren Übungsangeboten beginnen.
  • Knochen können im Zustand der osteopenischen oder osteoporotischen Schwächung vor allem Biegespannungen und Scherkräfte außerhalb der Mittelstellung zunächst nicht gut tolerieren, weswegen wir yogatherapeutisch endgradige Bewegungen in alle Richtungen, also Beugung, Streckung, Seitneigung und Rotation, vermeiden.
  • Angst schürt Stress und gemeinsam führen sie zu Vermeidungsverhalten und häufigeren Sturzereignissen. Yogatherapeutisch sind Zuversicht, Koordination und Balance neben der Kräftigung der Muskulatur in sicheren, individuell angemessenen Ausgangsstellungen und natürlichen, variantenreichen Bewegungen im Raum höchst effizient.

Konkrete Vorschläge für uns als LehrerInnen oder Betroffene sind:

  • Die Erarbeitung der Neutralstellung der Wirbelsäule mit ihrer doppelten S-Form im Āsana zu erarbeiten und ihre Anwendung im Alltag zu ermutigen. Die häufig bei Betroffenen beobachtete nachlässige Sitzhaltung belastet die Wirbelsäule ungünstig.
  • Verminderte Muskelmasse, Kraft und Ausdauer gehen dem Verlust der Knochendichte häufig voraus. Der Muskelaufbau für den Rumpf, den Schultergürtel und die Becken-Oberschenkelmuskulatur in variantenreichen Haltungen des Stehens, Sitzens, Liegens und auf allen Vieren ist essenzieller Bestandteil der yogatherapeutischen Intervention. Kraftaufbau wird ab einer Belastung von dreimal pro Woche für mindestens 15 Minuten gefördert und wie immer sollten wir dabei von leicht nach schwer vorgehen.
  • Alignment ist wichtig. Grundvoraussetzung ist die Schaffung eines Rumpfmuskelkorsetts zur Aktivierung der Bauch-, Beckenboden- und Rückenmuskeln, ohne sich dabei zunächst die Wirbelsäule krumm bzw. rund zu machen.
  • Einfache Āsana sind meist sehr effektiv, da sie sowohl regelmäßig als auch ohne großen Aufwand (Kleidungswechsel, Mattenbenutzung) geübt werden können. Besonders günstig sind symmetrische und asymmetrische Standhaltungen, Balance- und Koordinations-Haltungen und Bewegungen, Krafthaltung im Vierfüßlerstand oder Stützhaltungen auf Händen und Füßen.
  • Das Üben von Techniken mit langer und vollständiger Ausatmung (z. B. durch die Ujjayi-Atmung) erhöht die Energie des Übenden und stärkt die Muskulatur (z.B. Beckenboden- und Bauchmuskulatur). Die kurzen und ohne Ehrgeiz geübten Kumbhaka können zu einem erhöhten Energielevel führen und unsere innere und äußere Haltung günstig beeinflussen.
  • Kokontraktion beschreibt die zusätzliche, bewusste Anspannung von Muskeln, die nicht unbedingt zur Ausführung eines Āsana nötig sind, aber die Stabilität der Haltung und den auf die Wirbelsäule und anderen Knochen ausgeübten axialen Druck erhöhen und ist als Technik sehr hilfreich, um die Übungsdauer zu verkürzen. Zu diesem Zweck und um den Druck auf die Knochen und die Beanspruchung der Muskulatur im Verlauf zu steigern, empfehle ich meinen Klienten auch gerne das kurzzeitige Tragen einer Gewichtsweste bei sicheren Alltagsbewegungen.
  • Meine Erfahrung ist, dass die Anzahl der gezielten Āsana pro Übungssequenz fünf bis sechs normalerweise nicht übersteigen sollte, damit die Regelmäßigkeit und die Verinnerlichung der Abläufe leichter fallen.
  • Meine Erfahrung ist auch, das einfache Techniken der Meditation, sofern die Betroffenen sich darauf einlassen mögen, das Wohlwollen, die Zuversicht und das Selbstvertrauen verbessern.
  • In meiner Praxis empfehle ich ausgewählten PatientInnen auch Zusatzgewichte wie möglichst symmetrisch getragene Einkaufstaschen oder eine Gewichtsweste zu nutzen.

Zum Abschluss

In der Demut steckt auch der Mut! Je früher wir beginnen, uns auch um uns selbst zu kümmern und sowohl der Vorbeugung mehr Raum geben als auch die Therapie aktiv und selbst zu gestalten, desto leichter können wir motiviert in eine gute Richtung leben. Euch und Ihnen viel Freude, Zuversicht und Kraft!

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Dr. med. Günter Niessen ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Physiotherapeut und Yogalehrer (BDY/EYU) mit über drei Jahrzehnten Erfahrung in der Körpertherapie. Seit Mitte der 80-iger Jahre hat er Zehntausende Patienten sowohl mit operativen als auch mit konservativen Methoden behandelt. Sein Schwerpunkt hat sich von klassisch-orthopädischen Therapiestrategien zunehmend auf der Anwendung sanfter Heilverfahren verschoben. 2008 eröffnete er die Praxis für Yoga und Orthopädie in Berlin und hat das Svastha Yoga Therapie Programm mitgegründet, das jetzt übergeht in die erweiterte Ausbildung von Momentum Regeneration. Er ist Ayurveda-Therapeut und zertifizierter Yogatherapeut gemäß den Kriterien der Internationalen Gesellschaft für Yoga Therapie C-IAYT.

Mehr Infos unter momentum-regeneration.com oder info@momentum-regeneration.com

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