Jeder Mensch hat bestimmte Werte, die ihm wichtig sind und nach denen er lebt. In unserer Serie wollen wir euch Werte unserer Gesellschaft und unseres Zusammenlebens durch Yogaleher vorstellen. Heute mit Andrea aus Hamburg, mit dem Wert:
Demut
Das sagt Wikipedia:
Der Ausdruck "Demut" kommt von althochdeutsch diomuoti („dienstwillig", also eigentlich „Gesinnung eines Dienenden“). Im christlichen Kontext bezeichnet Demut die Haltung des Geschöpfes zum Schöpfer analog dem Verhältnis vom Knecht zum Herrn, allgemeiner die „Tugend, die aus dem Bewusstsein unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit (Gottheit, sittliches Ideal, erhabenes Vorbild) hervorgehen kann". In der Lutherbibel diente der Begriff zur Übersetzung des biblischen Ausdrucks tapeinophrosÿn (altgriechisch) bzw. dessen lateinischer Übersetzung humilitas.
Demut - welch ein schwer gewichtiges Wort! Für mich zumindest. Heutzutage begegnet es einem im Alltag kaum noch. Schaut man sich die Definition des Wortes „Demut“ einmal genauer an, so müsste der Eine oder Andere sicherlich (wenigstens im Geheimen) zugeben, dass er/sie die konkrete Bedeutung gar nicht kennt!
Mit Demut verbinden wir im Allgemeinen negatives, so was wie "jemandem zu Kreuze kriechen" und ja, auch "jemandem dienen". Ich erinnere mich daran, dass ein sehr von mir geschätzter Arzt einmal zu mir sagte: „Andrea, du musst etwas demütiger sein! Dir fehlt Demut“. Da war ich erstmal bedient, um nicht zu sagen stinksauer! Das musste man sich mal vorstellen, das sagte er zu mir - zu MIR! Ich tat nie einer Fliege etwas zuleide, war fleißige Yogini und hatte damals den Plan, Yogalehrerin zu werden. Und dann diese Klatsche!
Ich gebe zu, ich habe lange, lange nicht begriffen, was er mir damit sagen wollte. Statt dessen verbrachte ich viel Zeit damit unzufrieden zu sein und die restliche Zeit mit Yoga, auf dem Weg, ein besserer Mensch zu werden.
Einige Jahre später, nachdem besagter Arzt mir den wohl gemeinten Rat mit auf den Weg gegeben hatte, erkrankte ich schwer und war völlig verzweifelt. Geplagt von Schmerzen, Ungewissheit, nicht mehr essen können, nicht mehr arbeiten können, im Dauerschlaf, kein Teil gesellschaftlichen Lebens zu sein, Hoffnungslosigkeit.
Gesundheit, eine Arbeit zu haben, gesunde Kinder geboren zu haben- diese und so unglaublich viele weitere Geschenke des täglichen Lebens sollten wir demütig entgegen nehmen.
Ich habe es „wieder raus geschafft“ und bin zu neuem Leben erwacht und als die Lampen in meinem Hirn angegangen und Kraft und Lebensfreude zurückgekehrt waren, durchfuhr es mich wie ein Blitz! Ich hatte verstanden, was Demut bedeutet! Gesundheit, eine Arbeit zu haben, gesunde Kinder geboren zu haben und diese erziehen zu dürfen, anderen Menschen zu helfen, seinen Hunger mit vielfältigen Nahrungsmitteln stillen zu können, sauberes Wasser zu haben und in Frieden leben zu können - diese und so unglaublich viele weitere Geschenke des täglichen Lebens sollten wir demütig entgegen nehmen.
Wir sind uns dessen nicht bewusst, weil alles selbstverständlich geworden ist. Ob man, um die eigentliche Übersetzung des Wortes Demut aufzugreifen, an den Schöpfer glaubt oder nicht, spielt für mich hierbei keine Rolle. Genau genommen ist es doch so zu verstehen, dass uns allen das Leben und darüber hinaus ein bunter Strauß von vielen schönen Dingen geschenkt wurde und weiterhin täglich geschenkt wird und wir haben die Pflicht, dies anzunehmen und letztlich uns selbst in Liebe und Dankbarkeit zu dienen!
Wenn wir uns dessen bewusst sind, dass all dies ein Geschenk ist, dann dienen wir in erster Linie der Gabe an uns selbst und somit auch anderen Menschen. Damit tragen wir alle einen großen Teil zu einem besseren Leben in einer besseren Welt bei und erfüllen damit quasi unsere Schuld an das übergeordnete Große. Wer dies begriffen hat, hat Demut verstanden!
Demut in der Yogapraxis
Wenn ich nun die Yogastunden der letzten Jahre revue passieren lasse, so passt auch hier die Demut wie die Faust aufs Auge! Welch gnadenvolles Geschenk wird uns mit dem Yoga serviert? Wir müssen es nur annehmen - demütig annehmen….
"Yoga ist die körperlichen und psychischen Grenzen zu wahren und nur das zu machen was zum aktuellen Zeitpunkt möglich ist."
Als Yogalehrerin "predige" ich meinen Schülern und mir selbst, die Grenzen zu wahren und nur das zu machen, was zum aktuellen Zeitpunkt möglich ist und es als Aufgabe anzunehmen, diesen Rat zu befolgen. Das ist für mich die eigentliche Lehre der Yogastunde und nicht irgendeine Asana.
Es ist ein Privileg, Leben geschenkt zu bekommen und unsere Pflicht ist es, das Beste daraus zu machen! Dazu gehört, dass wir unseren Körper und den Geist mit allem gesund halten und ehren, was der bunte Strauß an Möglichkeiten so hergibt. Nicht der Körper hat uns zu dienen, sondern wir ihm. Es ist ein wundervolles Erbe, das wir in den Yogakursen annehmen dürfen.
Die Realität sieht oft anders aus: schmerzverzerrte Gesichter, Verzweiflung, Ungeduld - dies trifft Schüler und Lehrer gleichermaßen, wenn sie an scheinbar unlösbaren Haltungen „scheitern“ und schimpfen und nörgeln. Wer es in diesem Moment schafft, seine Grenzen zu wahren, den Moment zu leben und dankbar dafür zu sein, dass er auf zwei Beinen gehend, die Hände in der Planke nutzend und bewusst atmend in der Meditation im Hier und Jetzt sein darf, hat Demut verstanden. Diese Schüler und Lehrer werden die aufgezeigten Grenzen demütig annehmen und verstehen, worum es eigentlich in der Yoga Praxis geht und dankbar sein.
"Unterordnen, um das Höhere zu erreichen."
Spätestens hier schließt sich der Kreis zum vielseitig „gepredigten“ 8-gliedrigen Pfad des Patañjali. Das Unterordnen im Sinne von Diener sein, um das Höhere zu erreichen. Dies betrifft sämtliche Bereiche der acht Glieder, denn um Ahimsa z.B. leben und weiter geben zu können, muss ich liebevoll mit mir selbst umgehen.
In Niyama liegt die Ehrung des eigenen Körpers mit all seinen Facetten zugrunde, um nicht zuletzt wieder bei der Demut und der „Hingabe an den Herrn“ zu landen, ergo dem Wohl höheren Größen verknüpft mit der Einsicht, letztlich in Dankbarkeit anzunehmen, was man geschenkt bekommen hat, dieses zu erkennen und es zu behandeln wie einen Schatz.
Demut in der speziellen Yogapraxis
Für mich persönlich ist Yin Yoga der Inbegriff von Demut. Seine Sinne noch mehr zu bündeln und einfach alles loszulassen. Hingeben und realisieren, wie alles nachgibt, auch wenn's erstmal weh tut und dies auf der körperlichen, seelischen und geistigen Ebene. Dies vermögen unterschiedliche Asanas zu erreichen. Sei es das Sich-Öffnen, im Butterfly liegend oder das Insichgehen und Einkehren der Sinne in der Taube.
(Foto: privat) |
Ich bin Andrea, 43 Jahre alt, Mutter von drei bezaubernden Kindern, etwas durchgeknallt, das aber garantiert authentisch und darüber hinaus selbstständige Ernährungsberaterin und Yogalehrerin in der wunderschönen PerleHamburg. Aktuell gebe ich Kurse und Einzelstunden auf Anfrage und bin ich per E-Mail sehr gut zu erreichen unter schopf.andrea@googlemail.com. Ich freue mich auf euch! |
Möchtest Du deine Gedanken zu einem Wert in unserer Gesellschaft in Zusammenhang mit Yoga vorstellen? Dann schreib uns gerne eine E-Mail an mail[at]findedeinyoga.org. Wir freuen uns!
Alle bisher erschienen Beiträge zur Serie "Werte und Yoga" findest du hier.