Seit dem zweiten Märzwochenende sind alle Yogastudios als Prävention vor dem Corona-Virus geschlossen. Neben all den negativen Auswirkungen und Ängsten ist es eine riesige Chance und ein Schritt selbständiger zu werden und deine eigene Yogapraxis zu etablieren! Um dir die Umstellung zu deiner eigenen Yogapraxis zu erleichtern, gibt Sandro dir eine einfache Anleitung für dein Yoga at Home. Wenn du lieber Online-Yogaklassen besuchen möchtest, haben wir dir hier ein paar Tipps zusammengestellt.
Wann, Wo und wie lange?
Wann sollte ich am besten üben?
Die größte Herausforderung für viele Menschen ist es, einen festen Zeitpunkt für die Yogapraxis zu finden. Dabei solltest du dich nicht durch das Ende des Geschirrspülgangs oder einen wichtigen Punkt für den Einkaufszettel ablenken lassen. Lege am besten einen festen Zeitpunkt fest, der einen festen Anfang und Ende so wie vorher der Yoga Kurs hatte. Versuche dabei realistisch zu sein. Aus dem eigenen Kampf mit dem inneren Schweinehund kann ich nur sagen, je später der Tag umso leichter findet man eine Ausrede für den Ausfall der Yogaeinheit.
Ich persönlich konnte meinen inneren Schweinehund nur überwinden, indem ich jeden Morgen direkt aus dem Bett auf die Matte gehe. Das war am Anfang nicht ganz einfach, da mein Körper kraftvolle Bewegungen am frühen Morgen nicht als erste Wahl empfand. Jetzt nach knapp vier Jahren täglicher Yogapraxis ist es einer der schönsten Momente des Tages. Ich nehme mir Zeit, bewusst meinen Körper und meine Atmung wahrzunehmen, mich zu dehnen, mich aufzurichten, Muskelgruppen zu aktivieren und bei mir selbst anzukommen.
Welcher Platz bietet sich an?
Manche Menschen brauchen einen schönen Raum oder eine gewisse Ausstattung, um sich wohl zu fühlen. Wenn du zu diesen Menschen gehörst, dann überlege dir, welcher Rahmen für deine Yogapraxis wirklich wichtig ist und setze das um. Grundsätzlich brauchst du einen Platz von 2m mal 1m und im besten Fall eine Yogamatte und sonst nichts. Für deine Praxis ist der Ort am besten, an dem du dich gut konzentrieren und fokussieren kannst und du dich am wenigsten ablenken lässt.
Ich habe aber auch schon wunderschöne Yogastunden in Hotelzimmern, im Flur bei meinen Eltern oder zwischen den Zelten im nassen Gras auf einem Festival gehabt. Je eingeschränkter ich war, umso kreativer musste ich sein und das hat meist meine Praxis positiv beeinflusst. Dann musste ich mir Alternativen überlegen und Bewegungen ausprobieren und konnte nicht einfach ein Programm abspulen. In diesen Momenten war ich ganz und gar bei mir.
Wie lange sollte ich üben?
Sei pragmatisch! Lieber 10 min konzentriertes Üben als sich zu zwingen 90 min durchzuhalten und immer wieder in Träumereien zu versinken. Hilfreich ist es, sich entweder einen festen Zeitraum oder eine feste Anzahl an Übungen vorzunehmen.
Ich selbst habe meine eigene Yogapraxis mit einer festen Anzahl von 10 Übungen begonnen, die auch 2 Runden Sonnengruß, Atemübung und Endentspannung enthielt. Wenn ich richtig Lust hatte, war ich erst in 30 min durch. Wenn ich keine Lust hatte, schaffte ich das gleiche Programm in 10 min, habe es aber immer durchgezogen, da ich wusste, es kommen beispielsweise nur noch 9 Übungen.
Was sollte meine Yogaeinheit beinhalten?
1. Atmung
Eine bewusste Atmung ist das Fundament für einen klaren Kopf und eine fokussierte Asana-Praxis. Besonders wenn du dich unruhig oder unkonzentriert fühlst, dann beginne deine Yogapraxis mit einer dir bekannten Atemübung aus den besuchten Yogastunden. Alternativ hier eine einfache und wirkungsvolle Anleitung, die man jeden Tag wiederholen kann, da jeder Tag anders ist:
- Nehme den Fluss des Atems beim Ein- und Ausatmen in deinem Körper war – Nasenlöcher, Kehle Brustkorb, Bauch, Becken
- Atme von oben nach unten ein – Brustkorb, Bauch, entspannten Beckenboden
- Atme von unten nach oben aus – Beckenboden leicht nach innen ziehen, aus dem Bauch, aus dem Brustkorb
- Lasse so einen gleichmäßigen Kreislauf entstehen – oben nach unten ein, unten nach oben aus
- Etabliere dazu einen festen Atem-Rhythmus, wie beispielsweis bis 4 zählen und einatmen und bis 4 zählen und ausatmen (4:4) und lasse diesen Kreislauf für 12 Atemzüge bewusst fließen
- Variation I: Wenn du dich niedergeschlagen oder schlapp fühlst, dann lege die Betonnung auf die Einatmung (6:4 oder 8:4), solltest du dich unruhig und nervös fühlen dann lege den Schwerpunkt auf die Ausatmung (4:6 oder 4:8)
- Variation II: Ein vollständige Atemrunde enthält auch Atempausen nach dem Einatmen und nach dem Ausatmen. Wie fühlt es sich an, jeweils in der Pause bis 2 zu zählen (4:2:4:2) oder alle 4 Phasen der Atmung gleich lang werden zu lassen (4:4:4:4).
2. Erwärmung
Im Yoga ist der Sonnengruß (eine Abfolge von Vinyasas) das Mittel zum Zweck der Erwärmung. Ein Vinyasa ist eine Bewegung, bei der Atmung und Bewegung in Einklang gebracht werden. Wenn du keinen speziellen Sonnengruß mehr vor Augen hast, dann entwerfe dir doch ganz einfach selbst einen oder mehrere. Dafür überlege dir zwei oder drei Stellungen, wie z.B. aufrecht Stehen, Krieger I und nach unten schauender Hund, und versuche diese durch bewusste Bewegungen zu verbinden. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, denn der Weg ist schließlich das Ziel!
Damit du dabei auch deine Atmung im Blick behältst, synchronisiere das Ganze so, dass Brustkorböffnungen (wie z.B. Arme heben) mit einer Einatmung und Burstkorbeinschränkungen (wie z.B. Vorwärtsbeugen, Drehungen) mit einer Ausatmung verbunden werden. Anders haben es die alten Meister auch nicht gemacht, wenn sie vllt. auch ein paar mehr Überlegungen dazu anstellten. Bei allen sollte der Spaß und das Wohlergehen immer im Vordergrund stehen.
Ich persönlich lasse mich jetzt jeden Morgen von meinem eigenen Körper inspirieren. Ich stelle mich auf die Matte, spüre in meinen Atem, strecke meine Arme nach oben oder zur Seite und irgendwie geht es von ganz allein los. Dann möchte sich vllt. mein Rücken dehnen und ich gehe in eine Vorwärtsbeuge oder eine Drehung des Oberkörpers im Krieger fühlt sich gut an. Wenn ich Energie brauche oder meinen Kreislauf ankurbeln will, gehe ich öfters mal hoch und runter. Es kann so einfach sein 😊
3. Asanas
Da die körperlichen Übungen im Yoga immer die Wirbelsäule betreffen, enthält die kleinste Yogastunde 5 Übungen/Asanas: Vorwärtsbeuge, Rückbeuge, Seitbeuge, Drehung und gerade Wirbelsäule. Wenn du mehr Zeit hast, könntest du noch eine Bauchmuskelübung, eine Umkehrstellung und eine Balanceübung mit einbauen. Und schon hast du eine Stunde mit 8 Asanas zusammengestellt.
Für jede dieser 8 Asanas gibt es verschiedenste Übungen und Variationen. Mein Tipp für dich ist, lass einfach den Namen Programm sein. Welche Übung aus den Yogastunden fällt dir beispielsweise für eine Vorwärtsbeuge ein? Erinnere dich an die Anweisungen und baue die Übung bewusst auf. Versuche mehr und mehr Kontrolle in die Haltung zu bekommen, indem du geistig alle betroffenen Körperteile durchgehst und diese so veränderst, dass es sich gut anfühlt. Beim Yoga sollte es niemals Schmerzen geben! Ansonsten verändere was oder gehe aus der Übung.
Die wichtigste Rückmeldung bekommst du immer von deiner Atmung. Diese sollte immer und auch in jeder Asana angenehm und leicht fließen. Wenn deine Atmung stockt oder du schwer atmest, dann verändere deine Haltung so weit, bis der Atem wieder angenehm und leicht fließen kann. Und erst dann ist es Yoga und gut für dich! Vertraue auf deine Wahrnehmung und versuche auf deinen Körper zu hören. Dein Körper ist niemals gegen dich und Schmerzen sind immer Warnsignale, die du ernst nehmen solltest.
4. Entspannung
Am Ende jeder Yogastunde sollte immer eine Entspannung stehen, in der sich die Energien ausgleichen und deine Muskeln sich entspannen können. Diese sollte mindestens 2 min und maximal 8 min dauern.
Die einfachste Art ist es, sich in Shavasana (Rückenlage mit Armen neben dem Körper, Handflächen zeigen nach oben, Beine etwas mehr als Hüftbreit auseinander und Füße nach außen fallen lassen) auf die Atmung zu konzentrieren. Dabei kannst du geistig von Körperteil zu Körperteil wandern und mit der Ausatmung die jeweiligen Muskeln loslassen. Du kannst auch bewusst die Körperteile von Fuß bis Kopf geistig benennen und loslassen. Sicher kannst du dich auch an für dich gut funktionierende Anleitungen aus einer Yogastunde erinnern.
Wie könnte so eine Yogaeinheit aussehen?
Yogaeinheit mit 10 min Länge
Atmung (1 min)
- Stehen, aufrichten
- 6 bewusste Atemzüge im Kreislauf: Einatmen: Brustkorb, Bauch, Becken - Ausatmen: Beckenboden, Bauch, Brustkorb
Erwärmung (2 min)
- 1-2 Runden einen dir bekannten Sonnengruß oder eine Abfolge von mehreren Übungen
Asanas (je 1 min) mit kreativ fließenden Übergängen
- Vorwärtsbeuge: sitzende Vorwärtsbeuge
- Rückbeuge: Kobra
- Seitbeuge: Dreieck
- Drehung: Drehsitz
- gerade Wirbelsäule: Liegestütz
Endentspannung (2 min)
Yogaeinheit mit 20 min Länge
Atmung (3 min)
- Sitzen im Schneidersitz oder Fersensitz
- Wirbelsäule aufrichten
- 12 bewusste Atemzüge im Kreislauf: Einatmen: Brustkorb, Bauch, Becken - Ausatmen: Beckenboden, Bauch, Brustkorb
Erwärmung (5 min)
- Ausgangsposition ist der aufrechte Stand
- Ausatmen, dabei Hände vor dem Brustkorb zusammengeben.
- Einatmen, dabei Arme heben und strecken, Schulterblätter zusammen geben.
- Ausatmen, dabei Knie beugen, Oberkörper nach vorne beugen, Hände neben die Füsse.
- Einatmen, dabei rechtes Bein nach hinten geben, rechtes Knie zum Boden, Brustkorb öffnen.
- Atem anhalten, dabei anderes Bein nach hinten geben, Liegestützposition.
- Ausatmen, Knie, Brust und Stirn auf den Boden legen.
- Einatmen, dabei Brustkorb und Kopf in Cobra heben.
- Ausatmen, dabei Becken heben und hoch in den nach unten schauenden Hund kommen.
- Einatmen, dabei rechten Fuß nach vorne geben zwischen die Hände, linkes Knie zum Boden.
- Ausatmen, beide Beine gebeugt nach vorne geben.
- Einatmen, dabei mit gebeugten Knien und geradem Rücken aufrichten.
- Ausatmen, Arme senken.
- mit jeder Runde die Seite wechseln
Asanas (je 1 min) mit kreativ fließenden Übergängen
- Vorwärtsbeuge: stehende Vorwärtsbeuge
- Rückbeuge: Vogel - Bauchlage, Arme neben dem Körper, Handflächen zeigen nach oben, mit Einatmung die Beine, Kopf und Schultern heben und halten, Handrücken bleiben entspannt am Boden
- Seitbeuge: Stehen, Arme nach oben strecken und Handflächen zusammen, Arme und Oberkörper mit der Ausatmung leicht nach links beugen und rechte Seite des Körpers strecken, dann andere Seite
- Drehung: Krokodil - auf dem Rücken liegend, Arme zur Seite, Füße aufstellen und angewinkelte Knie zu einer Seite drehen lassen, Schultern bleiben am Boden und Kopf dreht sich zur anderen Seite als die Knie, dann Seite wechseln
- gerade Wirbelsäule: Unterarm-Liegestütz
- Bauchmuskelübung: Boot - auf der Matte sitzend, Oberkörper aufrichten und angewinkelte Knie heben, auf Po balancieren und versuchen Beine zu strecken
- Umkehrstellung: nach unten schauender Hund
- Balanceübung: Baum
Endentspannung (4 min)
Ich wünsche dir viel Freude beim Üben zuhause! Schreib uns gerne eine E-Mail an mail[at]findedeinyoga.org., wie du alleine zurecht gekommen bist. Für alle, die lieber mit ihrem Yogalehrer weiter zuhause üben möchten, haben wir einen Artikel über Online-Yogaklassen geschrieben und warum es gerade jetzt wichtig ist, deinen Yogalehrer zu supporten. Hier geht's zum Artikel.
Sandro ist seit 10 Jahren Yogalehrer in Berlin Neukölln und ehemaliger Betreiber der Yogaplattform Finde Dein Yoga.
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Text von: Sandro, ehemaliger Betreiber von Finde Dein Yoga
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